4. Februar 2021

RAW – gestern. Besonderheiten der industriellen Bebauung des RAW-Geländes bei der Nachnutzung durch soziokulturelle Akteur*innen

Von dropin-digital

von Lou K.

Das RAW-Gelände in Berlin-Friedrichshain blickt auf 150 Jahre Geschichte zurück, in der es lange Zeit als Reichsbahnausbesserungswerk genutzt wurde, wovon sich die Abkürzung RAW ableitet. Über die jahrelange Nutzung wurden Bauwerke aufgrund historischer Ereignisse (z.B. Krieg) ergänzt und umgebaut, was das Erscheinungsbild des Geländes nachhaltig prägt. So erlebte das Gelände die Gründung des deutschen Kaiserreichs 1871 als Königlich-Preußische Eisenbahnwerkstatt Berlin II1, die Weimarer Republik (1918 – 1933), das deutsche Reich im Nationalsozialismus (1933 – 1945), die Besatzungszeit und anschließend die Deutsche Demokratische Republik (1949 – 1990). Bis zur Stilllegung 1995 fanden in den Objekten noch Reparaturen an Eisenbahnen statt. (1)

A) Plan: Deutsche Reichsbahn

Doch wozu kann die Industriearchitektur dienen?

Die industrielle Nutzung hat Bauwerke zurückgelassen, die als Wohnungen oft wegen ihrer Bauweise und Größe eher ungeeignet sind. So ist es effizienter, ein Wohnhaus zu planen und neu zu bauen, als große Industriehallen zu Wohnungen umzubauen. Auch eine Nachnutzung für andere große Betriebe ist oft aufgrund der Spezialisierung von Montagehallen schwer möglich. Wer heute das RAW-Gelände besucht, dem stechen vor allem die vielen Graffiti und Street-Art-Bilder an den Wänden inzwischen umgenutzter Backsteinhäuser und -hallen ins Auge. Seit Anfang der 2000er Jahre wird dieses Areal nämlich von Kunst- und Kulturschaffenden für ihre Kunst genutzt. Neben den Künstler*innen entdeckten auch Sportler*innen die Vorzüge der innerstädtischen Industriebrache für ihre Zwecke.

B) Graffiti Betonhausen

Besonders ist auf die Vorzüge industrieller Strukturen und ihre Vorteile für Kultur- und Sporteinrichtungen hinzuweisen. So zum Beispiel die Skatehalle Berlin, welche im Winter 2004/2005 in der alten Schmiede des Geländes eröffnet hat. Die große Halle dient, mit zahlreichen Obstacles aus der innerstädtischen Architektur (Curbes, Ledges, Stairs, Banks) und denen klassischer Skateparks (Transitions), den Skatern Berlins als Übungsstätte bei jedem Wetter. Mit der Gesamtplanung der Skatehalle 2004 wurde eine Half-Pipe von Jürgen Horrwarth und Jörg Schaller und vielen anderen in den nördlichen Teil der Skatehalle gebaut. Mit ihren gigantischen Dimensionen gibt es nur wenige Hallen, die für eine Rampe mit dieser Größe in Frage kommen. Die Höhe von circa 4,5 m und die Breite von circa 12 m machte die alte Schmiede aber zu einem geeigneten Standort für die Rampe. Zum jetztigen Zeitpunkt ist die Halfpipe jedoch leider demontiert. (2)

C) Half-Pipe in der Skatehalle Berlin
D) Bowl der Skatehalle Berlin
E) Street der Skatehalle Berlin

Ein weiterer interessanter Ort auf dem Gelände des Werkes ist der Kletterkegel. Auffällig und namensgebend für die Kletter- und Boulderinstitution ist ein Betonkegel mit einem spitzen Dach, der sich östlich der Skatehalle befindet. Es handelt sich dabei um einen alten Weltkriegsbunker. An den Außenwänden des Bunkerbauwerks sind heute Klettergriffe und -tritte zu verschiedenen Routen angebracht, an denen geübte Kletter*innen mit Sicherungsseilen ihrem Sport nachgehen und trainieren können. Wegen der Höhe des sogenannten Kegels und der zylindrischen Form ähnelt es dem Kletterfeeling in den Bergen an einem Fels.

F) Kletterkegel auf dem RAW-Gelände

Fazit

Hier sind nur zwei Beispiele der Nachnutzung industrieller und historischer Orte durch Akteur*innen aus dem Sportbereich genannt. Sie sie zeigen auf, dass mit Kreativität, Ideen und der Motivation etwas zu verändern, Plätze der Begegnung geschaffen werden können. Menschen können hier der Ausübung ihrer Interessen nachgehen. Außerdem bietet eine Umnutzung innerstädtischer Industrieflächen soziokulturellen Akteur*innen günstige Möglichkeiten zur Verwirklichung ihrer Interessen, die mit Neubauten dieser Größenordnung noch schwerer finanzierbar und damit umsetzbar wäre.

Es zeigt sich, wie sich die industrielle Vergangenheit des Geländes auf die Nachnutzung durch soziokulturelle Akteur*innen auswirkt und wie es dieses Gelände schützenswert macht. Projekte wie diese sind dadurch besonders wertvoll, müssten aber auch immer mit einer Aufarbeitung des geschichtlichen Hintergrundes einhergehen.


Quellen:

1) https://de.wikipedia.org/wiki/RAW-Friedrichshain#1867_bis_1967, aufgerufen am: 4.1.21

2) https://www.boardmag.com/mag/skateboard/artikel/juergen-horrwarth-und-die-letzte-halfpipe-sessionin-der-skatehalle-berlin, aufgerufen am: 4.1.21

Bild- und Videoquellen:

A) https://fhzz.de/der-gruene-faden-auf-dem-raw-gelaende/; Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin. / Foto: Historisches Archiv / (Plan: Deutsche Reichsbahn), aufgerufen am 4.1.2021

B) h t t p s : / / w w w . s t r e e t a r t b l n . c o m / w p – c o n t e n t / u p l o a d s / 2 0 1 2 / 0 8 / Street_Art_Berlin_Roa_Bird_RAW_closeup.jpg (Foto: Graffiti Betonhausen) aufgerufen am: 4.1.2021

C) http://www.dropin-ev.de/media/images/vertramp_websize.2e16d0ba.fill-700×320.jpg (Foto: Half Pipe in der Skatehalle Berlin) aufgerufen am: 4.1.2021

D) Video Drop In e.V. privat

E) Video Drop In e.V. privat

F) Video Drop In e.V. privat